Sophia Kennedy

Album: Squeeze Me

Squeeze Me – ein Slogan aus der bunten Welt der Spielwarenabteilungen: Unter dem warmen Licht des Kaufhauses erscheint er wie eine süße Verlockung. Doch hinter der charmanten Aufforderung der leblosen Plüsch- und Plastikfratzen könnte sich auch etwas anderes verbergen.

Auf Squeeze Me, dem dritten Album der in Baltimore geborenen und in Hamburg und Berlin lebenden Sophia Kennedy, wird das vermeintlich Harmlose ins Gegenteil gekehrt: Umarmst du oder zerdrückst du mich? Diese zentrale Frage durchzieht die zehn Songs des Albums, denen Kennedy mit erhabener Entschlossenheit nachgeht.

Nach ihrem selbstbetitelten Debütalbum (2017, Pampa Records), das mit seinem Wechselspiel aus Glamour des Great American Songbook, Elektronik und Club-Einflüssen internationale Aufmerksamkeit erregte, folgte 2021 Monsters (City Slang), ein Werk, das sich in Surrealismus und Transzendenz stürzte.

Nun bietet Kennedy auf Squeeze Me, gemeinsam mit ihrem langjährigen musikalischen Kollaborator und Co-Writer Mense Reents (Egoexpress, Die Vögel, Die Goldenen Zitronen), einen desillusionierten Kommentar zum Status quo. Die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen, Machtfragen und Selbstbestimmung – bereits zentrale Motive in ihrem Werk – ziehen sich als roter Faden durch das Album.

Minimalistischer gehalten als ihre früheren Werke, gibt sich Kennedy auf Squeeze Me ihrem Talent für eingängige Melodien mit Popappeal und psychedelische Ausschweifungen hin: Repetitive Klavierakkorde, flirrende Synthesizer-Bässe, seltsam schimmernde Chöre und ein Schrei prägen den Song Rodeo. Neben Imaginary Friend, einem weiteren Pop-Highlight, stellt Rodeo die dringende Frage: „Where are we heading to?“. Doch statt Antworten zu liefern, schreitet Kennedy lustvoll und vielstimmig voran.

Das Songwriting auf Squeeze Me zeichnet sich durch Einfachheit und eine neue Tendenz zur Reduktion aus. In Imaginary Friend, begleitet von Orgel und Drumcomputer-Beat, trennt sich Kennedy mit unwiderstehlicher Catchyness und Lässigkeit von einem schal gewordenen Traumzustand. Im düsteren Runner, das auf den Dancefloor lockt, verwandelt sie sich kurzzeitig in eine Fliege.

Im melancholischen und schwindelerregenden Closing Time fliegt das Kettenkarussell aus der Sicherung und schlägt schließlich auf den steinharten Boden der Realität. Generell scheint Kennedy auf Squeeze Me Gegensätze eher auszustellen als aufzulösen: Unten ist oben, das Ende ist der Anfang, das Kleine ist das Große, das Gute ist das Böse – und umgekehrt.

Ein Paradebeispiel dafür ist Feed Me, das pochende Herz des Albums. Hier schimmert durch die überspitzte Perspektive ein säuerlicher Sarkasmus, der den Hörer sanft in die Irre führt. „Es ist, als würde man einen Luftballon aufblasen, nur um ihn mit einer heißen Nadel zu zerstechen“, erklärt Kennedy. Genau das ist auch hörbar: Ein Ballon, der schwirrend durch den Raum fliegt und dann in sich zusammenfällt.

Diese cineastische Qualität durchzieht das gesamte Album – kein Wunder, hat Kennedy doch Film studiert. Zum Schluss nimmt sie auf dem stacheligen Hot Match wieder Fahrt auf und rast mit Motorik-Beat und heißem Reifen durch aufsteigende Rauchwolken davon.

Härte und Schönheit, Witz und Melancholie, Fatalismus und Stärke: Squeeze Me stellt alles auf den Kopf, was wir über Sophia Kennedy zu wissen glaubten. Ganz nach dem Motto des Albumcovers, auf dem sie oder die Welt Kopf stehen – je nach Perspektive. Fokussierter und gleichzeitig „poppiger“ als je zuvor, ist Squeeze Me Sophia Kennedys stringentestes Album. Vielleicht ist es sogar ein künstlerisches Manifest.

Es ist ein vielschichtiges, selbstbewusstes Statement, trotz oder gerade wegen der Krisen innen und außen. Squeeze Me ignoriert die Welt da draußen nicht, sondern setzt ihr eine eigene entgegen – eine Welt, die wir irgendwie kennen, aber so vielleicht noch nie gesehen haben.